Nach einem erfolgreichen Auftakt des ersten Internationalen Forums der italienischen Spitzen und Stickereien im Mai 2003 lud die Vereinigung "ItaliaInvita" zum zweiten Treffen dieser Art vom 13. bis 16. Mai in diesem Jahr ein.

Anläßlich dieses Ereignisses organisierte Frau Stang eine Studienreise vom 7. bis 16. Mai nach Italien.

So international wie das Forum war auch die Zusammensetzung der Busreisegruppe. Die Mitreisenden kamen aus Deutschland, Niederlande, Belgien, Schweiz, Dänemark und Südafrika.

Strohmuseum
Strohmuseum

Gleich am Nachmittag des Abfahrttages besuchten wir im schweizerischen Kanton Aargau das Strohmuseum der Gemeinde Wohlen. Dort erfuhren wir, wie die Strohindustie in einem kleinen Bauerndorf im 19. Jahrhundert zum wirtschaftlichen Aufschwung führte. Nach Absatzschwierigkeiten ihrer Strohhüte im Ausland wurden neue Artikel aus Stroh kreiert.

Im Museum konnten wir uns neben modischen Hüten und verschiedenen Strohgeflechten auch mit Stroh verzierte Klöppelspitzen anschauen. Diese Rosshaarspitzen, die sogenannten "Blonden", wurden ab 1847 im Erzgebirge geklöppelt und in der Aargauer Gegend bestickt.

Am nächsten Vormittag probierten wir die Fertigung verschiedener Stohverzierungen selbst aus.

Musterbuch
Musterbuch mit Rosshaarspitzen
Ogliate Comasco
Ausstellung in Ogliate Comasco

Gleich nach dem Passieren der italienischen Landesgrenze führte unsere Route nach Olgiate Comasco. Auch in diesem Jahr arrangierte Sandra Taiana eine Ausstellung mit Cantu-Klöppelspitzen und Porzellan.

Am Montag besuchten wir das Fächeratelier von Frau Linda de Dominicis in Mailand. Neben einer umfangreichen Fächersammlung im Untergeschoß beherbergt das Haus eine Werkstatt zur Restaurierung von Fächern. Wer wollte, konnte auch Fächer erwerben.

Chantillyspitzenfächer
Chantillyspitzenfächer

Am Nachmittag des gleichen Tages erreichten wir den kleinen Bergort Gandino in der Provinz Bergamo. In der aus dem 15. Jhd. stammenden Basilika, die der S. Maria Assunta geweiht ist, fanden wir wunderschöne Altardecken, die mit Klöppelspitzen verziert waren.

Basilika
Basilika
Altardecke
Altardecke
Goldspitze
Goldspitze

Extra für uns wurden in der Sakristei Pristergewänder mit Spitzen ausgelegt. Nebenan, im Museum der Basilika, befindet sich neben sakralen Kunstwerken eine große Spitzensammlung mit über 100 katalogisierten Gold- und Silberspitzen. Hier sind neben Mailänder und venezianischen auch Spitzen aus Flandern und Genua zu sehen.

Als kleine Zugabe besuchten wir die heilige Kreuzkirche. In der Sakristei wurden ebenfalls für uns Gewänder mit Spitzen zur Besichtigung ausgelegt.

Nach einer Übernachtung am Gardasee führte unsere Route nach Lusern. Dieses kleine Bergdorf liegt in einer Höhe von 1343 m auf der Hochebene von Lavarone in Südtirol. Hier versuchen die Einwohner die Sprache (mittelalterliches Bayrisch) und die Kultur der Zimbern zu erhalten. Während in anderen Orten die Sprache durch das Italienische verdrängt wurde, errichtete der Pfarrer Franz Zuchristian 1866 eine deutsche Volksschule und 1882 eine Klöppelschule. Durch einen Großbrand 1911, die Ereignisse des 1. Weltkrieges und Auswanderungen geriet die Klöppelspitze in Vergessenheit. Mit Hilfe der Lehrerin Cesara Perini aus Rovereto belebte das ansässige Kulturinstitut diese Handwerkskunst wieder neu. Seit November 1996 werden Klöppelkurse durchgeführt. Typische Muster wurden zusammen getragen, so daß heute die alten Muster der Kaiserin Maria Thersia unverändert gearbeitet werden. Diese enthalten viele Formschläge, die die Blättchen des Edelweiß darstellen.

Spitze aus Lusern
Spitze aus Lusern
Gardine im Haus von Prükk
Detail einer Gardine im Haus von Prükk

Im Ort suchten wir das Dokumentationszentrum, das Museum und das Haus von Prükk auf.

Das Heimatmuseum beherbergt neben Ausstellung und Information zur Klöppelspitze eine Sammlung von Kriegsgegenständen aus dem 1. Weltkrieg.

Im "Haus von Prükk", einem zimbrischen Bauernhaus aus dem 19. Jhd., ist die ursprüngliche Ausstattung rekonstruiert und als historisches Beispiel erhalten worden.

Abends trafen wir in Rimini, Bellaria, ein.

Am Mittwochmorgen starteten wir zu unserem letzten Halbtagsausflug nach Sansepolcro. Die mittelalterliche Stadt im Tibertal liegt in der Province Arezzo im Westen der Toscana. Hier besuchten wir die Geschäftsstelle des Spitzenvereins.

Die Klöppelspitze wurde von Amalia Gelli, die das Handwerk von einer flämischen Nonne während ihres Gefängnisaufenthaltes erlernte, im 19. Jhd. in die Stadt gebracht. Sie gab ihr Wissen an die Schwestern Adele und Ginna Marcelli weiter. Beide nahmen Kontakt zu anderen italienischen Spitzenorten auf (wie z.B. Pescoconstanzo, Genua) und gründeten 1900 eine Klöppelschule.

Einige Jahre später fertigte Ginnas Ehemann, Domenica Petri, Entwürfe an und verbesserte somit die Qualität der Spitze.

Durch die industielle Revolution kam es auch hier zum Niedergang der Spitze.

Im Jahr 1996 wurde die Gesellschaft "Spitze in der Stadt von Piero" zur Bewahrung und Verbreitung der Klöppelspitze gegründet. Durch die Unterstützung der Gemeindeverwaltung konnte im gleichen Jahr eine dauerhafte Spitzenausstellung, die der Arbeit von Adele und Ginna Marcelli gewidmet ist, eröffnet werden.

Sansepolcro-Spitze
Alte Spitzen der Schwestern Marcelli
Klöppelkissen aus Sansepolcro
Klöppelkissen aus Sansepolcro

Zurück in Bellaria begannen am Nachmittag Workshops, zu welchen man sich im Vorfeld angemelden mußte. Ich entschied mich für den Kurs zur Klöppelspitze von Pescocostanzo.

Lehrerin Luigina Cocco
Lehrerin Luigina Cocco erklärt die Spitze von Pecocostanzo
Spitze aus Pescocostanzo
Spitze aus Pescocostanzo, Entwurf von Luigina Cocco

Weitere Spitzenkurse wurden in den Techniken Gorizia Klöppelspitze, Cantu-Klöppelspitze (Rosaline), Häkelspitzeaus Orvieto, Nadelspitze Aemilia Ars und Nadelspitze aus Venedig angeboten. Stickkurse wurden in den Techniken der Ars Canusia, Ars Panicalensis (Tüllstickerei), Nadelmalerei, Reticellaspitze, Tambourstickerei und Stickerei auf Buratto durchgeführt.

Am Freitagnachmittag begann der Kongreß in Bellaria. Dieser stand unter dem Thema: "Die Anfänge" mit einer didaktisch aufbereiteten Ausstellung der Stickerei- und Spitzenarbeiten von den Ursprüngen im 16. Jhd. bis zum Beginn des 17. Jhd.

In diesem Jahr präsentierten sich ca. 60 Organisationen, Schulen und Kunsthandwerksgruppen aus allen italienischen Regionen. Jeder Stand widmete sich einer anderen Technik. Lehrerinnen zeigten ihre Arbeiten und demonstrierten deren Fertigung. Gern gaben sie auch Auskunft, jedoch meist nur in italienischer Sprache. Händler boten auf Verkaufsständen ihre Waren an. Neu war eine Ausstellung ausgewählter italienischer Wettbewerbsarbeiten zum Thema:"Schultertasche".

Kongresszentrum
Kongresszentrum

Eine weitere Ausstellung zeigte das Lebenswerk von Antonilla Calli mit meisterhaft ausgeführten Werken in der Nadelspitze "Aemilia Ars".

Am Freitag wurden Fachvorträge gehalten. Am Samstag und Sonntag fanden Atelier-Workshops zum Ausprobieren verschiedener Techniken statt. Jeder Teilnehmer konnte 2 Kurse, die jeweils 2 Stunden dauerten, besuchen. Es standen 3 Spitzen- und 10 Stickereikurse zur Auswahl.

Am Montag kamen wir nach einer Übernachtung in Österreich geschafft, aber zufrieden mit dem gesammelten Wissen wieder nach Deutschland zurück.

© Text und Fotos: Petra Pönisch
in: Information Nr. 43 des Sächsisch-Erzgebirgischen Klöppelverbandes